Grußwort gehalten am 12. November 2004 anlässlich der Feier
„40 Jahre Gesellschaft für Pädagogik und Information“
Siegfried Piotrowski,
Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Kybernetik
Herr Vorsitzender,
liebe gewesene Vorsitzende,
meine Damen und Herren,
liebe Freunde,
heute Morgen haben schon die Kollegen Frank und Lehnert, die die Gesellschaft für Pädagogik und Information viele Jahre als Vorsitzende begleitet haben, über die Entstehung und Arbeit der Gesellschaft berichtet.
Wir haben gehört, dass sich die GPI, anfangs Arbeitsgemeinschaft Programmierte Instruktion, dann Gesellschaft für Programmierte Instruktion, danach Gesellschaft für Programmierte Instruktion und Mediendidaktik, seit 1980 schließlich Gesellschaft für Pädagogik und Information in ihren Anfängen mit Programmierter Instruktion, kybernetischer Pädagogik etc. beschäftigt hat. Euphorisch wurde Anfang der sechziger Jahre das Aufkommen der kybernetischen Pädagogik begrüßt. Weil sie sich auf eine rein technische Optimierung von Lehr-Lern-Prozessen stützte, den Sinn- und Bedeutungsinhalt von Information für die lebendige Bildungspraxis aber ausklammerte, war sie mehr oder weniger unbrauchbar. Mehr als akademische Beachtung hat dieser Ansatz nie gefunden.
Die Programmierte Instruktion wurde in den 50er- und 60er-Jahren in den USA entwickelt. Ich erinnere an Skinner (1958) und Crowder (1959). Correll importierte sie 1965 nach Deutschland. In der Pädagogik hat das der Programmierten Instruktion zugrunde liegende Konzept – anders als in der psychologischen Lerntheorie – zu keinem Zeitpunkt eine wirklich nennenswerte Bedeutung gewonnen.
Der Programmierte Unterricht setzte sich in der allgemeinen Schultätigkeit nicht durch. Erst mit der Verfügbarkeit preiswerter Computer und insbesondere erheblich gesteigerter Rechnerleistung bekam der Programmierte Unterricht nochmals eine Chance. Dennoch ist unbestritten, dass ausschließlich „niedrigere Formen“ des Lernens auf diese Weise einigermaßen sinnvoll und effektiv unterstützt werden können.
Bildungstechnologie ist als wissenschaftliche Reflexion des Einsatzes von Technologie in Bildungsprozessen zu verstehen. Heute wird Informationstechnologie in der Bildung eingesetzt. Das bedeutet, dass Bildungstechnologie weitgehend gleichbedeutend mit Informationstechnologie für Bildungsprozesse ist. Sie beschäftigt sich mit Themen wie Lernsoftware, eLearning, Lernplattformen, multimedialen Lernumgebungen u.s.w..
Die Gesellschaft für Pädagogik und Information hat sich unter ihrem Vorsitzenden Ortner rechtzeitig der Informationstechnologie und ihren Themen zugewandt und wurde erst mit dieser neuen Ausrichtung überlebensfähig.
1995 vergab die GPI erstmals die Comenius-Auszeichnungen.
Sie sind kein Gegengewicht zum Wiener-Schmidt-Preis, der heute auch nicht mehr ausschließlich oder überwiegend der Bildungstechnologie zuzurechnen ist.
Die Comenius-Auszeichnungen sind heute begehrte Preise für didaktische Multimedia-Produkte und eurokulturelle Bildungsmedien.
Gemeinsam vergeben unsere beiden Institutionen den Wiener-Schmidt-Preis.
Was verbindet die GPI mit der Deutschen Gesellschaft für Kybernetik ? Ich lasse hier den amtierenden Vorsitzenden selbst zu Wort kommen, in dem ich ihn wie folgt zitiere:
„…P. Zemanek, für den Kybernetik eine “interfakultative Formalwissenschaft” war, behauptet, dass von deren Methoden sämtliche Einzelwissenschaften Gebrauch machen können.
Genau dies war auch der Anknüpfungspunkt der Gesellschaft für Pädagogik und Information, die sich von Anfang an die Aufgabe gestellt hat, neben die traditionelle aber weitgehend nicht formale Bildungsphilosophie eine Bildungswissenschaft zu stellen, eine Disziplin just nach dem Anspruch einer “Formalwissenschaft”, deren strukturelle und prozedurale Vorgaben in diesem Falle durch konkrete pädagogische
Inhalte ausgefüllt werden sollten.
Auch wenn die Kybernetik den Wissenschaftlertraum von einem von Zeit und Raum unabhängigen, also semper et ubique gültigen Erkenntnisgebäude noch nicht erfüllen konnte, so hat sie doch einen unschätzbaren Vorteil – gerade in einer Zeit, in
der sich angeblich Wissensexplosionen ereignen, die sich alsbald bloß als redundante Informationsverpuffungen herausstellen. Sie ist, wie gesagt wird, eine “Wissenschaft
der Denkökonomie”. Das ist meine sehr persönliche Beziehung zu ihr. Schon in recht jungen Jahren – mitten in der Studentenbewegung Ende der sechziger Jahre – wollte ich auf einer Tagung zur Hochschulpolitik, die sich zu jener Zeit durchaus auch mit wissenschaftstheoretischen Fragen beschäftige, zeigen, dass die Entwicklungsgesetze der Kybernetik der der Dialektik “denkökonomisch” überlegen wären.
Aber das wollte damals keiner hören, schon gar nicht von einem noch nicht einmal promovierten Unterassistenten. Ist die Zeit heute dafür gekommen?
Vielleicht hat mich auch dies bewogen, viele Jahre später gemeinsam mit dem verehrten Kollegen Helmar Frank einen Preis für besondere Leistungen auf dem umfassenden Gebiet der Kybernetik zu initiieren, diesen nicht nur auf informationstheoretische Arbeiten zu beschränken und ihn mit den Namen Norbert Wiener und Hermann Schmidt zu verbinden.“
Am 9. Dezember 1994 wäre Hermann Schmidt und am 26. November 1994 Norbert Wiener 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass hielten wir vor 10 Jahren, am 9. Dezember 1994, eine Feststunde an der Technischen Universität Berlin ab und stifteten gemeinsam mit der GPI den „Wiener-Schmidt-Preis“. Während die ersten beiden Preisvergaben noch mehr oder weniger unter Ausschluss der GPI erfolgten, begann ab der dritten Preisvergabe im Jahre 2000 an den Kollegen Lehnert endlich eine vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Gesellschaft für Kybernetik und der Gesellschaft für Pädagogik und Information. Die vierte (im Jahre 2002 in Berlin an Friedhart Klix) und fünfte Preisvergabe (im Juni dieses Jahres an der Universität Wien an Klaus Krippendorff) nahm der GPI-Vorsitzende als Sprecher der gemeinsamen Jury vor.
Heute ist der Kollege Ortner Vorsitzender des Beirats der GfK, ich freue mich, seit einigen Jahren im Vorstand der GPI mitarbeiten zu können. Auf weiteren Gebieten pflegen und beginnen wir eine heute freundschaftliche Zusammenarbeit.
Ich gratuliere herzlich zum 40. Geburtstag und wünsche der Gesellschaft für Pädagogik und Information für die nächsten Jahrzehnte „Glück auf“.